21.10.2020
Zum Tod der Wiener Galeristin Dr. Heike Curtze
Ein Blick zurück auf 45 Jahre Galerietätigkeit und ihren Künstlerkreis der ersten Stunde
Als Heike Curtze 1975 in der Citadellstraße 11 in Düsseldorf eine Galerie für zeitgenössische österreichische Kunst eröffnete, ergriff sie die Gunst der Stunde. Sie galt dem jungen Kunstmarkt im Rheinland – einer Einrichtung, die Kölner Galeristen 1967 ins Leben gerufen hatten und von der entscheidende Impulse für den Kunsthandel ausgingen. Dazu bedurfte es der Überwindung von Landesgrenzen in einer Zeit, in der künstlerische Entwicklungen noch auffallend landesspezifisch waren. Während zum Beispiel in den USA die Pop Art blühte, kam es in Wien zu provokativen, selbstquälerischen Performances der „Aktionisten“. Die bald zur Institution herangewachsene Galerie von Heike Curtze wurde auf diese Weise zu einer künstlerischen Außenstelle der Wiener Avantgarde im Rheinland, das sich damals dank seiner vermögenden und der zeitgenössischen Kunst aufgeschlossenen Bürger- und Sammlerschicht, zu einem internationalen Kunstzentrum entwickelt hatte.
Vielleicht musste man wie Heike Curtze Wahl-Wienerin sein, um sich mit so viel Enthusiasmus und Engagement für die österreichische Avantgarde in der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts einsetzen zu können. Es war eine schwierige, den Betrachter fordernde selbstprovozierende Kunst. Für Heike Curtze schärfte der Blick von außen das Bewusstsein für den aufrührerischen Geist jener unbequemen Kunst, die in einer so fest in Traditionen verhafteten Metropole wie Wien lange als Nestbeschmutzung abgelehnt wurde. Die Stadt machte es den Künstlern schwer. Für Heike Curtze aber, die es als Studentin nach Wien gezogen hatte, blieb Wien die Stadt ihrer Wahl.
Fünf große österreichische Maler – Arnulf Rainer, Günter Brus, Hermann Nitsch, Christian Ludwig Attersee, Kurt Kocherscheid – der Bildhauer Hermann Prantl und Dominik Steiger als Literat, Performance-Künstler und Zeichner sorgten einstmals für das Profil der Galerie, mit der Heike Curtze ihr Programm 1975 in Düsseldorf startete und durch die Auswahl der Werke Maßstäbe setzte. Es ist eine Künstlergeneration, je nach Alter noch traumatisiert durch Erinnerungen an Kriegserlebnisse und Naziterror, die mit großen Entbehrungen und der schweren Hypothek der lange totgeschwiegenen Nazivergangenheit Österreichs aufwuchs. Thomas Bernhard, einer ihrer Altersgenossen, setzte sie mit seinem Theaterstück „Der Heldenplatz“ ins Rampenlicht der Bühne.
Zur Düsseldorfer Galerie kam wenig später auch eine in Wien hinzu, zuerst in der Grünangergasse und später der Seilerstätte. Das war nur konsequent, denn nun galt es mit dem Erfolg im Ausland auch Wien für ihre österreichische Avantgarde zu gewinnen.
Eröffnet wurde die Galerie in Düsseldorf mit Attersee. Am kontinuierlichsten begleitete sie Günter Brus mit seiner Bildpoesie und am nachdrücklichsten prägte sie Arnulf Rainer mit einer exzellenten Auswahl seines Werks der besten Jahre. Großen Erfolg hatte sie mit dem Werk von Hermann Nitsch, der 1981 bei Heike Curtze früheste Beispiele der Aktionsmalerei seines „Orgien-Mysterien-Theaters“ zeigte.
Was Heike Curtze als Galeristin aber besonders auszeichnete, war ihr unermüdliches Engagement für ihre Künstler der ersten Stunde. Bis zuletzt bemühte sie sich, ihre Werke in großen Sammlungen unterbringen, in privaten und öffentlichen. Einen Zyklus von Günter Brus-Zeichnungen fand auf diese Weise auch ins Museum of Modern Art in New York. Dies liegt nicht lange zurück. Ihr Engagement für die großen Künstler der Anfangsjahre hat also bis zuletzt Wirkung gezeigt. Alle noch lebenden Künstler waren zu ihrem vierzigjährigen Galeriejubiläum in Wien gekommen. Das kam einer Verneigung gleich vor einer Persönlichkeit, die sich mit der Kunst, die sie vertrat, identifizierte. Dabei kam ihr die vornehme gebildete Art und ihre Eleganz entgegen, nicht zuletzt auch ihre Heiterkeit.
Barbara Catoir